"Hauptsache gesund" - really?

Euer Kind ist geboren und der erste Besuch von Freunden und Familie steht an. Alle möchten das Baby sehen. Und natürlich wird sich nach eurem Wohlbefinden und dem Verlauf der Geburt erkundigt.

 

Für mich persönlich war die zweite Geburt, ein Not-Kaiserschnitt mit anschliessendem Aufenthalt in der Neonatologie, ein Schock. Wenn ich auf die Fragen «Wie geht es dir?» oder «Wie war die Geburt?» eine ehrliche Antwort gab, herrschte meistens Stille. Ich merkte, dass es den Leuten unangenehm war, wenn ich ihnen erzählte, wie schlecht es mir gehe, dass die Geburt komplett anders verlaufen sei als gewünscht oder ich den Kaiserschnitt als traumatisierend beschrieb. Ich halte mein Baby im Arm, da sollten doch alle Strapazen vergessen sein? Worte, die ich häufig zu hören bekam: «Hauptsache gesund».

 

Von aussen wird die Geburt gerne idealisiert. Ich weiss, dass das nicht böse gemeint ist. Die meisten denken sich nichts dabei und wissen vielleicht einfach nicht, was sie sagen sollen. Der Gedanke ist grundsätzlich wohlwollend. Die Intention dahinter: das Wohlwollen und die Sorge um die Gesundheit geliebter Menschen. Und gleichzeitig kann diese Aussage verletzen.

 

Die Sache ist die

Jeder möchte ein gesundes Kind bekommen. Aber was ist, wenn das Kind nicht «normgesund» ist? Wenn es krank ist, eine Behinderung hat? Dürfen die Eltern sich dann nicht freuen? Was bedeutet überhaupt «gesund», wer legt die Standards fest? Was ist mit stillgeborenen Kindern? Zählt die Geburtserfahrung der Familie nicht? Die psychische Gesundheit der Mutter? Darüber sprechen wir viel zu selten. Kinder und Geburten sind facettenreich und vielschichtig. Es geht um mehr als nur körperliche Gesundheit; emotionale und psychische Aspekte sind ebenso wichtig.

 

Deine Erfahrung zählt. Dein Trauma zählt. Deine Gefühle zählen.

Kranke Kinder, Kinder mit Behinderungen sind wichtig. Stillgeborene Kinder sind wichtig. Wir sollten uns klar machen, dass das die Realität für viele Mamas und Papas ist und sensibler mit solchen Sätzen umgehen. Nach einem belastenden Geburtserlebnis kann es helfen, mit einem vertrauensvollen Umfeld darüber zu sprechen. Bedeutsam sind empathische Gesprächspartner:innen, die zuhören können, ohne sofort zu beschwichtigen. So können wir heilen. Mit Mitgefühl, Vertrauen, Anerkennung sowie Liebe.

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